Logos – eine stoische Idee
Stoizismus hatte immer den Anspruch, ein umfassendes System zu sein, das keine Bereiche auslässt. Wie werden aber Ethik, Logik und Physik miteinander in Einklang gebracht, ja, verbunden? Wenn Stoizismus eine echte Lebenskunst sein möchte, dann muss es gelingen, sowohl das menschliche Denken als auch die Vorgänge im Kosmos miteinander in Beziehung zu setzen und möglichst einfach zu erklären. Schon Zenon fand dafür die Lösung, indem er sich auf den Begriff des „Logos“ konzentrierte.
Wenn wir heute über stoischen Logos sprechen, begegnet uns schnell ein echtes Problem, nämlich die Vieldeutigkeit dieses Begriffes. Weder das Deutsche noch das Englische verfügen über ein einzelnes Wort, dass alle Bedeutungen des altgriechischen „Logos“ einschließt. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als uns eine gewisse Offenheit unseres eigenen Geistes zu bewahren und uns immer wieder daran zu erinnern, dass Logos im Großen wie im Kleinen, im Geist wie in der Natur wirken kann.
Logos ist auch Logik
Die Logos-Philosophie beschreibt unter anderem unsere gedankliche und sprachliche Logik, die für die alten Griechen ihren Ausdruck meist im Dialog mit anderen fand. So wird das Wort Logos selbst häufig als „Wort“ oder „Rede“ übersetzt, eine Bedeutung, die es natürlich auch tatsächlich hat. Allerdings geht das griechisch-stoische Verständnis weit darüber hinaus.
Logos kann sowohl das Gesagte sein, als auch die dem Gesagten zugrunde liegende Struktur der Gedanken, die es uns erst ermöglicht, das Gesagte auch wirklich hervor zu bringen. Er ist sozusagen die Denkfähigkeit, die Möglichkeit zur Vernunft, die Menschen gegeben ist und gleichzeitig das, was diese Denkfähigkeit äußert – zum Beispiel in Form von Aussagen, Argumentationen oder Definitionen.
Der Logos im Kosmos und in uns
Es geht aber sogar noch weiter: der Logos-Geist wirkt nicht nur im Menschen selbst, sondern durchzieht den gesamten Kosmos. In einer Art Ursache-Wirkung-Prinzip ist er die treibende Kraft hinter dem, was in der Realität passiert. Er ist sozusagen Idee und Ausführung zugleich und hat damit das Potenzial, die Dreiteilung der stoischen Philosophie wieder aufzuheben und alle Erkenntnisgebiete zu einer einzigen Gesamtheit zu vereinen.
Weil er quasi das deterministische Universum lenkt und gleichzeitig im Menschen wirkt, ist der Mensch überhaupt erst in der Lage, den Logos im Außen zu erkennen. Erst der Logos in ihm selbst ermöglicht es ihm, den Logos im Kosmos und im Weltgeschehen wahrzunehmen, rational zu analysieren und sich entsprechend zu verhalten.
Der Logos hat also sowohl eine rationale, als auch eine spirituelle Dimension; er befriedigt stoisches Denken genauso wie religiöses Gefühl. Das für Nicht-Stoiker Schwammige, ja Widersprüchliche am Logos-Begriff, war für die alten Stoiker eher das Gegenteil – nämlich einfach die konsequente Anwendung und logische Herunterbrechung auf ein alles durchdringendes Prinzip.
Der universelle Klebstoff
Der Logos, der alles mit allem verbindet, seine Gesetzmäßigkeiten im Großen wie im Kleinen wirksam werden lässt, lässt sich daher – einmal verstanden – einfach erkennen und erklären. Er entspricht letztendlich auch dem Stellenwert, den die Logik in der stoischen Philosophie innehat, sie ist mehr als ein bloßes Hilfsmittel, sie ist wesentlicher Bestandteil des Systems selbst. Der Logos selbst lässt sich mit dem deutschen Begriff „Wort“ also nicht einmal annähernd beschreiben, besser sind wahrscheinlich Formulierungen wie „Weltgeist“ oder „kosmische Vernunft“.
Wichtig zu verstehen ist, dass der Logos in allem erkennbar ist und er erst den stoischen Anspruch, ein umfassendes Welterklärungsmodell zu sein, umsetzbar macht. Weil er das natürliche Bindeglied zwischen Allem und Jedem ist, umfasst er sowohl die Logik, etwa in der Art zu denken, die Ethik, zum Beispiel beim logischen Versuch, tugendhaftes Verhalten zu ergründen, und auch die Physik, in der er vom einzelnen Organismus bis hin zum kosmischen Ereignis allem einen Sinn verleiht.
Der Logos ist also in einem gewissen Sinn die Lösung auf das stoische Problem der Ganzheitlichkeit von allem. Wer sich mit diesem Gedanken schwertut, der denke einfach an die „Macht“ im Star Wars-Universum. Möge sie immer mit uns sein.
Literatur
Pohlenz, Max. Die Stoa. S. 35.
Forschner, Maximilian. Die Philosophie der Stoa. S. 31.
Dies war ein Ausschnitt aus meinem Buch „DER WILDE STOIKER. Moderner Stoizismus für ein gutes Leben. Alle wichtigen Antworten. Mit 14 Übungen.„
Mein Stoizismus Buch