Die Selbstbetrachtungen von Marc Aurel sind für sehr viele Menschen der erste Einstieg in die Primärliteratur der stoischen Philosophie. Die Aufzeichnungen des Philosophenkaisers – auch als Marcus Aurelius oder Mark Aurel bekannt–, sind seit vielen Jahrhunderten für Menschen auf allen Kontinenten inspirierend.
Im November 2022 erschien meine komplette Neuübersetzung dieses philosophischen Klassikers ins Deutsche. Zusammen mit ausführlichen Begriffserklärungen und zahlreichen Fußnoten bietet diese Ausgabe der Selbstbetrachtungen auch Einsteigern in den Stoizismus eine gute Orientierung. Eine weitere Besonderheit: Der zweite Teil des Buches bietet meines Wissens erstmals eine Neusortierung der Betrachtungen des römischen Kaisers und ordnet sie nach thematischen Oberpunkten, so wird das gezielte Nachschlagen erstmals einfach und zügig möglich.
Die Selbstbetrachtungen – engl. „Meditations“ –, bekommen Sie hier, weiter unten finden Sie Ausschnitte des ersten Buches (meint hier „Kapitel“) – aufgrund von Online-Beschränkungen leider ohne erklärende Fußnoten – als kostenlose Leseprobe, bitte beachten Sie, dass ich am Amazon Affiliate Programm teilnehme und für Verkäufe über diese Seite eine Provision erhalte (der Preis ändert sich für Sie dadurch nicht) (siehe Impressum):
Selbstbetrachtungen als Hardcover
Selbstbetrachtungen als Taschenbuch
Auszüge aus dem ersten Buch der Selbstbetrachtungen („Meditations“) von Marc Aurel | Marcus Aurelius | Mark Aurel. In diesem Kapitel dankt er allen wichtigen Personen in seinem Leben, bevor es dann in den folgenden „Büchern“, also Kapiteln, ans „Eingemachte“ geht und wir tief in die stoische Gedankenwelt dieses einmaligen Mannes einsteigen dürfen.
Buch I der Selbstbetrachtungen
1. Von meinem Großvater Verus habe ich die guten Sitten und die Beherrschung meines Temperaments gelernt.
2. Dem Ruf meines Vaters entsprechend und in seiner Erinnerung, lernte ich Bescheidenheit und einen männlichen Charakter.
3. Meine Mutter brachte mir Frömmigkeit, Wohltätigkeit und Enthaltsamkeit bei – nicht nur von bösen Taten, sondern sogar von bösen Gedanken. Außerdem lehrte sie mich eine einfache Lebensweise, weit entfernt von den Gewohnheiten der Reichen.
4. Durch meinen Urgroßvater begriff ich, dass es nicht nötig ist, öffentliche Schulen zu besuchen, wenn man dafür zu Hause gute Lehrer hat, und dass ein Mann bereit sein sollte, für Bildung Geld auszugeben.
5. Von meinem Erzieher lernte ich, bei den Spielen im Zirkus weder für die grüne noch die blaue Partei zu sein, bei den Gladiatorenkämpfen weder für die Parmularius- noch die Scutarius-Gladiatoren Partei zu ergreifen. Er brachte mir auch bei, bei der Arbeit ausdauernd zu sein, wenig zu wollen, mit meinen eigenen Händen zu arbeiten, mich nicht in fremde Angelegenheiten einzumischen und nicht bereit zu sein, Verleumdungen anzuhören
6. Von Diognetus lernte ich, mich nicht mit Kleinigkeiten zu beschäftigen oder den Worten der Wundertäter und Jongleure über Beschwörungen und Dämonen- vertreibungen und dergleichen zu glauben. Außerdem keine Wachteln für den Kampf zu züchten noch mich ähnlichen Dingen leidenschaftlich hinzugeben. Ich lernte, Meinungsfreiheit zu ertragen, und wurde mit der Philosophie vertraut, zuerst als Zuhörer von Bacchius, dann von Tandasis und Marcianus. Außerdem [verdanke ich ihm], in meiner Jugend Dialoge geschrieben zu haben und [nur] nach einer Pritsche und einem Fell verlangt zu haben und was sonst noch der griechischen Lebensart [der Philosophen] entspricht.
7. Rusticus vermittelte mir den Glauben, dass mein Charakter Verbesserung und Disziplin erforderte und ich mich nicht zu sophistischem Wetteifern verleiten lassen darf. Auch nicht zu spekulativem Schreiben oder zu kleingeistigen Mahnreden. Außerdem lernte ich, mich nicht als ein disziplinierter und wohltätiger Mann auszugeben, nur um damit nach außen zu glänzen, und mich der Rhetorik, der Poesie und dem schönen Schreiben zu enthalten und nicht in meiner Straßenkleidung im Haus herumzulaufen oder Ähnliches zu tun.
Er brachte mir bei, meine Briefe mit Einfachheit zu schreiben – wie der Brief, den Rusticus von Sinuessa an meine Mutter schrieb –, und denjenigen, die mich beleidigt oder mir Unrecht angetan haben, zügig zu verzeihen und friedfertig zu werden, sobald sie die Bereitschaft zur Versöhnung erkennen lassen. Außerdem sorgfältig zu lesen und sich nicht mit einem oberflächlichen Verständnis eines Buches zufriedenzugeben und nicht voreilig denen zuzustimmen, die gern zu viel reden. Schließlich verdanke ich ihm, dass er mich mit den Reden von Epictetus bekannt gemacht hat, die er mir aus seiner eigenen Sammlung gab.
8. Von Apollonius lernte ich Willensfreiheit, eine unerschütterliche Zielstrebigkeit und auf nichts anderes achtzugeben, nicht einmal für einen Moment, außer auf die Vernunft. Und immer derselbe zu sein, im großen Schmerz, zum Beispiel beim Verlust eines Kindes, genauso wie bei langer Krankheit. Er war mir ein lebendiges Beispiel dafür, dass ein und derselbe Mensch gleichzeitig äußerst entschlossen und auch nachgiebig sein kann, und nicht etwa unwirsch, wenn er Anweisungen geben muss. In ihm sah ich einen Mann, der seine Lebenserfahrung und seine Fähigkeit, philosophische Prinzipien darzulegen, bescheiden als die kleinsten seiner Verdienste ansah. Und ich lernte von ihm, wie man von Freunden wertschätzend gemeinte Gefälligkeiten annimmt, ohne entweder in Demut zu verfallen oder sie erst gar nicht zu bemerken.
9. Von Sextus erhielt ich eine wohlwollende Gesinnung, das Beispiel einer väterlich geführten Familie und die Idee einer naturgemäßen Lebensführung. Ich lernte Ernsthaftigkeit ohne Vortäuschung und mich sorgfältig um die Interessen meiner Freunde zu kümmern und Ignoranten genauso zu tolerieren wie solche Leute, die sich ohne Nachdenken Meinungen bilden. Er hatte die Fähigkeit, mit allen Menschen gut auszukommen, sodass der Umgang mit ihm angenehmer war als jede Schmeichelei. Zugleich wurde er von denen, die ihm nahestanden, aufs Höchste verehrt. Er war in der Lage, die Prinzipien des Lebens auf intelligente und methodische Weise zu entdecken und zu ordnen. Er war völlig frei von Zorn oder irgendeiner anderen Leidenschaft und voller Zuneigung. Seine Zustimmung erteilte er ohne lärmende Zurschaustellung und sein Wissen besaß er ohne jede Prahlerei.
10. Alexander der Grammatiker lehrte mich, mich der Fehlersuche zu enthalten und nicht diejenigen vorwurfsvoll zu tadeln, die einen barbarischen, grammatikalisch falschen oder seltsam klingenden Ausdruck gebrauchen. Stattdessen einfach den Begriff, der hätte verwendet werden sollen, geschickt in Form einer Antwort, einer Bestätigung, einer Frage über den Sachverhalt – nicht über das Wort selbst – oder einen passenden Vorschlag einfließen zu lassen.
11. Von Fronto lernte ich zu beobachten, welcher Neid, welche Doppelzüngigkeit und welche Heuchelei Merkmale eines tyrannischen Wesens sind. Und dass im Allgemeinen diejenigen unter uns, die Patrizier genannt werden, ein ziemliches Defizit an väterlicher Zuneigung aufweisen.
12. Von Alexander dem Platoniker, nicht ständig mündlich oder schriftlich zu behaupten, dass man keine Zeit habe, oder die Vernachlässigung von Pflichten, die wir gegenüber denen, mit denen wir zusammenleben, haben, durch angeblich dringende Aufgaben zu entschuldigen.
13. Von Catulus, der Kritik eines Freundes gegenüber nicht gleichgültig zu sein – selbst wenn der Freund ohne wirklichen Grund Fehler an uns bemängelt –, sondern stattdessen zu versuchen, ihn wieder in seine normale Stimmung zu versetzen. Außerdem immer gut über die eigenen Lehrer zu sprechen – wie es von Domitius und Athenodotus berichtet wird – und meine Kinder aufrichtig zu lieben.
14. Von meinem Bruder Severus lernte ich, meine Verwandten, die Wahrheit und die Gerechtigkeit zu lieben. Durch ihn lernte ich Thrasea, Helvidius, Cato, Dion und Brutus kennen, und er vermittelte mir die Idee eines Gemeinwesens, in dem es für alle die gleichen Rechte gibt. Ein Gemeinwesen, das im Hinblick auf gleiche Rechte und gleiche Redefreiheit regiert wird. Die Idee einer königlichen Regierung, die vor allem die Freiheit des Volkes achtet. Weiterhin lehrte er mich Konsequenz und unbeirrbare Beständigkeit in philosophischen Dingen. Außerdem Gutes zu tun, bereitwillig zu geben, zuversichtlich zu sein und daran zu glauben, dass ich von meinen Freunden geliebt werde. Nie verschwieg er seine Meinung über diejenigen, die er verurteilte, und seine Freunde mussten keine Vermutungen über seine Wünsche oder Nichtwünsche anstellen, diese waren jederzeit völlig klar.
15. Maximus lehrte mich, mich selbst zu beherrschen und mich durch nichts beirren zu lassen. Ich lernte von ihm Fröhlichkeit in allen Lebenslagen, auch in der Krankheit, und den moralischen Charakter mit Fröhlichkeit und Würde zu würzen. Und das zu tun, was mir aufgetragen wurde, ohne mich zu beschweren. Mir fiel auf, dass alle glaubten, er dächte, während er sprach und dass er bei allem, was er tat, niemals böse Absichten hatte.
Nie zeigte er Erstaunen und Überraschung, und nie war er in Eile. Er schob nichts auf und war weder ratlos noch niedergeschlagen. Er lachte einerseits nie, um seinen Ärger zu verbergen, noch war er andererseits irgendwann einmal leidenschaftlich oder suspekt. Er war es gewohnt, wohltätig und immer zur Vergebung bereit zu sein, und war frei von jeder Falschheit. Er wirkte wie ein Mann, der [von Natur aus] tugendhaft war, nicht wie einer, der dazu erst verbessert hätte werden müssen. Mir fiel auch auf, dass niemand jemals denken konnte, dass er von Maximus verachtet wird, oder gar glauben, dass er selbst ein besserer Mensch sei. Außerdem war er auf eine angenehme Weise humorvoll.
16. Bei meinem Vater beobachtete ich seinen milden Charakter und seine unveränderliche Entschiedenheit in Dingen, die er nach reiflicher Überlegung beschlossen hatte. Außerdem keine Prahlerei in Fragen der Ehre, eine Liebe zur Arbeit und Durchhaltevermögen, die Bereitschaft, denen zuzuhören, die einen Vorschlag für das Gemeinwohl hatten, seine unerschütterliche Entschlossenheit, jeden nach seinem Verdienst zu entlohnen, und sein auf Erfahrung beruhendes Wissen, wann die Zeit für energisches Handeln und wann die für Vergebung gekommen war. Ich bemerkte, dass er alle Leidenschaften für Jungen überwunden hatte, sich selbst nicht über andere Bürger stellte und er es seinen Freunden nicht übel nahm, wenn sie ihn auf seinen Reisen nicht begleiteten und nicht mit ihm speisten, sondern dass die, die ihn aus guten Gründen nicht begleitet hatten, ihn bei seiner Rückkehr in seiner gewohnten Laune vorfanden.
Ich bemerkte außerdem seine Angewohnheit, bei allen Abwägungen sorgfältig nachzudenken, und seine Beharrlichkeit. Und dass er sich bei allen Untersuchungen nie mit dem ersten Anschein zufriedengab und dass seine Maxime darin bestand, seine Freunde zu behalten und ihrer nicht vorschnell müde zu werden. Seine Zuneigung war nie extravagant, und er war bei jeder Gelegenheit zufrieden und gut gelaunt. Er sah die Dinge weit voraus und kümmerte sich ohne großes Aufsehen auch um Kleinigkeiten. Applaus und Schmeicheleien stellte er sofort auf den Prüfstand, und er achtete sorgfältig auf alles, was für die Verwaltung des Reiches notwendig war. Er achtete sorgsam auf die Ausgaben und ertrug geduldig die Kritik, die er dafür erhielt. Den Göttern gegenüber war er weder abergläubisch noch versuchte er die Menschen für sich zu gewinnen, indem er ihnen Geschenke machte, ihnen zu gefallen strebte oder indem er sich beim Volk anbiederte. Alle Dinge betrachtete er mit Nüchternheit und Standhaftigkeit und zeigte nie einen bösen Gedanken, eine schlechte Tat oder eine Liebe für [modische] Neuheiten.
Die Dinge, die in irgendeiner Weise das Leben verbessern und von denen das Glück einen reichen Vorrat gibt, benutzte er ohne Arroganz und ohne sich zu entschuldigen, sodass er sie, wenn er sie hatte, ohne Anhänglichkeit genoss, und wenn er sie nicht hatte, er sie nicht wollte. Niemand konnte jemals von ihm sagen, dass er ein Sophist, ein oberflächlicher Sklave oder ein Pedant war. Im Gegenteil, jeder sah in ihm einen Mann, der gereift, vollkommen, über Schmeicheleien erhaben und in der Lage war, seine eigenen Angelegenheiten und die anderer Menschen zu regeln. Darüber hinaus ehrte er die, die wahre Philosophen waren, und machte denjenigen, die es nur vorgaben, zwar keinen Vorwurf, ließ sich aber auch nicht von ihnen an der Nase herumführen.
Er war ein angenehmer Gesprächspartner und liebenswürdig ohne affektiertes Gehabe. Um seine Gesundheit kümmerte er sich in angemessener Art und Weise. Weder wie jemand, der krampfhaft am Leben hängt oder auf sein persönliches Äußeres bedacht ist, noch nachlässig. Sondern so, dass er durch seine eigene Achtsamkeit nur sehr selten ärztliche Kunst, Medikamente oder äußere Anwendungen in Anspruch nehmen musste. Er war sehr schnell bereit, denen den Vortritt zu lassen, die eine besondere Fähigkeit besaßen, etwa Eloquenz, Rechtswissen, moralische Autorität oder irgendetwas anderes. Diesen Menschen gab er seine Unterstützung, sodass jeder seinem Verdienst entsprechend Ansehen genießen konnte. Außerdem handelte er stets konform mit den Institutionen seines Landes, ohne jedes Gehabe.
Er bevorzugte weder den Wechsel noch die Schwankungen, sondern liebte es, an denselben Orten zu verweilen und sich mit denselben Dingen zu beschäftigen. Nach seinen Migräneanfällen kehrte er stets frisch und tatkräftig zu seinen üblichen Beschäftigungen zurück. Er kannte nur sehr selten und nur sehr wenige Geheimnisse, und diese betrafen ausschließlich öffentliche Angelegenheiten. Er bewies Umsicht und wirtschaftlichen Sachverstand in der Ausrichtung öffentlicher Spektakel, beim Bau öffentlicher Gebäude, mit seinen Spenden an das Volk und all diesen Dingen, denn er war ein Mann, der auf das achtete, was getan werden musste, nicht auf die Reputation, die auf den Taten eines Menschen fußt.
Er badete nicht zu ungewöhnlichen Zeiten, widmete sich nicht dem Bau von Häusern, interessierte sich weder besonders für das, was er aß, oder für die Beschaffenheit und Farbe seiner Kleidung noch für die Schönheit seiner Sklaven. Seine Kleidung stammte im Allgemeinen aus Lorium, seinem Landhaus an der Küste, und aus Lanuvium. Wir wissen, wie er sich gegenüber dem Zolleintreiber von Tusculum, der ihn um Verzeihung bat, verhielt, so war sein ganzes Verhalten. In ihm gab es nichts Hartes, Unerbittliches, Gewalttätiges oder, wie mancher sagt, irgendetwas, das zum Siedepunkt gebracht wurde. Als hätte er Zeit im Überfluss, prüfte er alle Dinge gesondert, ohne Verwirrung, mit System, energisch und konsequent. Und das, was von Sokrates gesagt wird, trifft auch auf ihn zu, dass er in der Lage war, Dinge zu meiden und sie gleichzeitig zu genießen. Dinge, bei denen viele zu schwach sind, Enthaltsamkeit zu üben, und die sie nur im Übermaß genießen können. Aber stark genug zu sein, das eine zu ertragen und beim anderen nüchtern zu bleiben, ist das Kennzeichen eines Menschen, der eine vollkommene und unbesiegbare Seele hat – so wie er es auch in der Krankheit von Maximus gezeigt hat.
17. Ich bin den Göttern zur Dankbarkeit verpflichtet für gute Großeltern, gute Eltern, eine gute Schwester, gute Lehrer, gute Gefährten, gute Angehörige und Freunde, für fast alles Gute. Außerdem danke ich den Göttern, dass ich mich nicht zu einer Beleidigung gegen einen von ihnen hinreißen ließ, obwohl ich eine Wesensart hatte, die mich – wenn sich die Gelegenheit geboten hätte – dazu hätte bringen können, so etwas zu tun. Aber durch ihre Gunst gab es ein solches Zusammentreffen der Umstände, das mich hätte testen können, nie. Weiterhin danke ich den Göttern, dass ich nicht mit der Konkubine meines Großvaters aufwachsen musste und dass ich die Blüte meiner Jugend bewahrte und dass ich meine Männlichkeit nicht vor der richtigen Zeit unter Beweis stellte, sondern die Zeit sogar hinauszögerte. Weiterhin, dass ich einem Herrscher und Vater unterworfen war, dem es gelang, mir jeden Stolz zu nehmen, und [der mir] half zu erkennen, dass es für einen Mann möglich ist, in einem Palast zu leben ohne Wachen, bestickte Kleider, Fackeln, Statuen und derlei Zurschaustellung. Sondern dass es in der Macht eines solchen Mannes liegt, die Sitten einer Privatperson anzunehmen, ohne deswegen gemeiner im Denken oder nachlässiger im Handeln zu sein, wenn es um die Dinge geht, die im öffentlichen Interesse getan werden müssen, so wie es sich für einen Herrscher gehört.
Ich danke den Göttern, dass sie mir einen solchen Bruder gegeben haben, der mich durch seinen moralischen Charakter zur Wachsamkeit gegen mich selbst erwecken konnte und der mich zugleich durch seinen Respekt und seine Zuneigung erfreute; dass meine Kinder weder dumm noch körperlich behindert waren; dass ich in Rhetorik, Poesie und den anderen Studien, in denen ich mich vielleicht stärker engagiert hätte, wenn ich gesehen hätte, dass ich in ihnen Fortschritte mache, nicht mehr Kenntnis erlangte; dass ich mich beeilte, meine Erzieher auf die Posten zu befördern, von denen ich glaubte, sie würden sie begehren, ohne sie mit der Hoffnung zu vertrösten, ich würde dies später tun, da sie ja noch jung seien; dass ich Apollonius, Rusticus und Maximus kennen durfte; dass ich klare und häufige Eindrücke über ein Leben im Einklang mit der Natur erhielt und wie ein solches Leben aussah, sodass mich – soweit es die Götter, ihre Gaben, Hilfen und Inspirationen angeht – nichts daran hinderte, unverzüglich gemäß der Natur zu leben, obwohl ich einem solchen Leben durch meine eigene Schuld noch nicht gerecht werde und die Mahnungen der Götter und, ich möchte fast sagen, ihre direkten Anweisungen nicht beachte; dass mein Körper ein solches Leben so lange durchgehalten hat; dass ich weder Benedicta noch Theodotus berührt habe und dass ich, nachdem ich amourösen Leidenschaften verfallen war, geheilt wurde; und – obwohl ich Rusticus gegenüber oft ungehalten war – ich nie etwas tat, das ich später bereut hätte; dass meine Mutter, obwohl es ihr Schicksal war, jung zu sterben, ihre letzten Jahre mit mir verbrachte; dass ich immer die Mittel hatte, jemandem in seiner Not oder bei irgendeiner anderen Sache zu helfen; und dass ich nie darauf angewiesen war, Hilfe von anderen zu erhalten; dass ich so eine gute Frau habe, so gehorsam, so liebevoll und so anspruchslos; dass ich eine Fülle guter Erzieher für meine Kinder hatte; und dass mir in Träumen Heilmittel gegen Blutspeien und Schwindel als auch anderes aufgezeigt wurden; und dass ich, wenn ich mich der Philosophie zuneigte, nicht in die Hände irgendeines Sophisten fiel und dass ich meine Zeit nicht mit Geschichtsschreibern oder mit der Lösung von Syllogismen verschwendete oder mich mit der Untersuchung von Himmelserscheinungen beschäftigte; denn all dies erfordert die Hilfe der Götter und des Glücks.
[Geschrieben bei den] Quaden an der Gran.
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