Exzess und die „Tugend der Mäßigung“
Exzess scheint eine der vier stoischen Kardinaltugenden, der Mäßigung, diametral entgegengesetzt zu stehen. Wie können wir einerseits versuchen, mehr Mäßigung in unserem Leben zu erreichen und andererseits mit den – ja nun einmal in der Realität vorhandenen – Exzessen umgehen?
Die Liebe zum Exzess
In der modernen europäisch-amerikanischen Kultur, nimmt Exzess eine wichtige Rolle ein. Er macht Kömodien erst lustig, ist als erzählte Erinnerung („Weißt du noch, wie du mit dem ganzen Kokain in den Pool gefallen bist?“) unterhaltsam und cool und macht für viele Menschen das Leben erst lebenswert. Selbst in religiös geprägten Gebieten haben die Gesellschaften den Exzess nicht ausrotten, sondern nur ritualisieren könenn – zum Beispiel als Karneval im Rheinland oder in Venedig. Je mehr wir einen Jugendkult in unserer eigenen Gesellschaft zelebrieren, desto mehr gewinnt Exzess an Sexappeal.
Stoizismus ist kein Ein-Aus-Schalter
Viele Religionen haben Rituale erfunden, mit denen man quasi in ihren Club eintritt. Es wurden bewusst „einschneidende“ Erlebnisse erschaffen, die es allen Beteiligten klar machen: hier beginnt jetzt etwas Neues; ab hier gelten andere Regeln. Das Problem: diese schwarz-weiß, an-aus-Mentalität ist unmenschlich und damit auch unrealistisch. Als angehende Stoikerin und als angehender Stoiker wissen wir hingegen, dass wir nicht von einer Sekunde auf die andere „perfekt“ sind. Wir befinden uns vielmehr auf einer Reise deren Ziel es ist, uns Logos und Tugendhaftigkeit immer weiter anzunähern. Anders gesagt: wir werden nicht erwachsen geboren. Exzesse werden immer mal wieder zu unserem Leben dazu gehören. Wichtig ist es, sich darüber klar zu werden, welche wir (idealerweise bewusst) wählen und welche wir (freiwillig) vermeiden möchten, weil wir erkannt haben, dass sie unserem Lebensglück im Weg stehen.
Exzess als Sünde?
Religionen brauchen zumeist auch abschreckende Beispiele um das gewünschte Verhalten zu forcieren und „Sünden“ zu vermeiden. Aber brauchen wir im Stoizismus wirklich Begrffe wie „Schuld“ und „Sünde“, geschweige denn „Sühne“?
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